Gastbeitrag

Kinderwunsch ist vielfältiger geworden

Umdenken auch beim „Social Freezing“

Red.: Frau Dr. Stindt, Sie sind Kinderwunschexpertin, waren in Kinderwunschzentren in Oldenburg, Hamburg und Leer tätig, und sind seit August 2019 in eigener gynäkologischer Praxis tätig. Verändert sich der Blick auf das Thema immer wieder?

Dr. Stindt: Kinderwunsch ist vielfältiger geworden. Früher gab es mehr oder weniger nur den aktuellen, aktiven Kinderwunsch; jetzt geht es zunehmend auch um Fertilitätserhalt und -vorsorge. Die Tätigkeit in eigener Praxis hat mich nochmals viel aufmerksamer für eine potenzielle spätere Kinderwunschbehandlung gemacht, da hier oftmals be­reits die Weichen in der Vorbereitung ge­stellt werden.

Red.: Inwiefern?

Dr. Stindt: Es geht in der niedergelassenen gynäkologisch­en Praxis weniger um die dortigen therapeutischen Möglichkeiten als vielmehr bereits um den sinnvollen Einsatz einfacher, diagnostischer Maßnahmen. Es gilt, in Abstimmung mit den Wünschen der Paare, den richtigen Zeitpunkt für eine Vorstellung im Kinderwunschzentrum zu wählen und dabei schon viel notwendige Diagnostik erledigt zu haben. Dazu braucht es jedoch Erfahrung.

Red.: Was liegt Ihnen in der frühen Kinderwunschbehandlung in der Praxis besonders am Herzen?

Dr. Stindt: Eine rechtzeitige Ergänzung von Jod und Folsäure, die Überprüfung des Impfstatus und Schließung von Impflücken sowie ggf. die Einbeziehung des Partners, so dass zumindest ein Spermiogramm gemäß den WHO Leitlinien vorliegt.

Red.: Gibt es noch etwas, das Ihre Patienten beherzigen sollten?

Dr. Stindt: Glauben Sie bitte nicht, dass Stress verhindert, schwanger zu werden. Prinzipiell ist weniger Stress natürlich eine schöne Sache. Allerdings implizieren wohlgemeinte Ratschläge von Freunden und Familien ja irgendwie auch, dass es wohl klappen würde, wenn die Betroffenen nur „lockerer“ würden. Das verursacht häufig noch mehr Druck und Schuldgefühle und ist wenig hilfreich.

Red.: Spielt zunehmend auch der prospektive Kinderwunsch eine Rolle?

Dr. Stindt: Ja, ich denke, dass hier ein Paradigmenwechsel stattfindet. Früher hatten Frauen oft das Gefühl, sich entweder für Familie oder für Karriere entscheiden zu müssen.

Jetzt sind wir technisch so weit, auch unbefruchtete Eizellen qualitativ hochwertig einfrieren zu können, und wir sind gesellschaftlich da, dass sich dieser Gedanke wertfrei etabliert. Bis vor ca. 10 Jahren war es üblich, ein solches Verfahren nur Krebspatienten anzubieten; ein Einfrieren ohne medizinische Indikation, also das „social Freezing“ gab es nicht. Hier hat ein Umdenken stattgefunden und ich bin froh, dass sich zukünftig weniger Frauen für nur das Eine oder das Andere werden entscheiden müssen.

Red.: Vielen Dank für das Gespräch.

Jana Stindt

 Dr. med. Jana Stindt 

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