Versorgungslücke bei Kleinkindern und behinderten Patienten

In Artikel 24 der UN-Kinderrechtskonvention heißt es, “Kinder haben ein Grundrecht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit sowie auf Inanspruchnahme von Einrichtungen zur Behandlung von Krankheiten und zur Wiederherstellung der Gesundheit.” Jetzt schlagen deutsche Kinderzahnärzte und Anästhesisten Alarm, denn dieses Recht wird mit den am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Gesetzes-änderungen unterlaufen.

Bis zu 15 Prozent der Kinder unter 12 Jahren in Deutschland (ca. 70.000 Kinder pro Jahrgang!) leiden unter gravierenden Zahnproblemen, die nicht ohne eine ambulante Narkose behoben werden können, und eine solche ist eine Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen! Man könnte also meinen, erkrankte Kinder würden auch beim Zahnarzt eine optimale Versorgung erhalten. Doch die Realität (im Übrigen auch die behinderter Patienten, die vom Gesetzgeber gleich behandelt werden!) sieht derzeit schockierend anders aus:

Kinder mit Schmerzen und Ängsten stehen seit dem 1. Januar 2009 auf immer länger werdenden Wartelisten in den Zahnarztpraxen. Natürlich werden Kinder mit großen Schmerzen im Rahmen einer Notfallversorgung behandelt!!! Dies schmälert allerdings die Versorgungsmöglichkeiten aller übrigen Kinder und Behinderten. Kleine Patienten mit schweren kariösen Gebissstörungen und Kinder, die nach einem Unfall traumatisiert sind, bekommen nicht die zu ihrer Versorgung und zur Vermeidung von Spätschäden notwendige Behandlung!

Denn: Zum Jahresbeginn sind die Honorare der Narkoseärzte (Regelleistungsvolumen für Anästhesisten) so stark gekürzt worden, dass diese damit nicht einmal mehr in der Lage sind, ihrer Tätigkeit kostendeckend nachzugehen. Ein Anästhesist erhält – abhängig vom Bundesland – für eine medizinisch erforderliche Kindernarkose derzeit nur noch ca. 30 Euro bis 40 Euro, und zwar egal, wie lange eine solche dauert. Dies entspricht maximal einem Fünftel der realen Kosten. Allein die Ausgaben für die benötigten Einwegmaterialien belaufen sich auf diese Summe.

“Täglich werden uns kleine Patienten mit umfangreich kariös zerstörten Gebissen in unserer Praxis vorgestellt, denen wir nur sehr verzögert Termine für eine dringend nötige Behandlung unter Vollnarkose anbieten können”, schildern die kinderzahnärztlich tätigen Behandler, “und die überwiegende Mehrzahl dieser Kinder kommt aus Familien, denen es nicht möglich ist, eine Narkose privat zu bezahlen. Dabei sind neben den Schmerzen die gravierenden Folgen einer Nichtbehandlung oder zu späten Behandlung seit langem bekannt. Und es ist auch für uns Ärzte schmerzlich, die gegenwärtige Situation ansehen zu müssen und nicht helfen zu können! Es ist derzeit nur erschwert möglich, Anästhesisten für die erforderlichen Narkosen zu gewinnen.” Neben den Schmerzen und der sozialen Ausgrenzung der betroffenen Patienten treten laut Expertenauskunft in der Folge einer unbehandelten Karies häufig Schlaf- und Esstörungen, vielfach auch Hals-, Nasen- und Ohrenprobleme auf, die bleibenden Zähne werden “angesteckt” und sind ebenfalls kariös.

Unfallopfer können nicht – oder nur um den Preis einer weiteren schweren Traumatisierung – behandelt werden. Kinder mit schwerer Karies, die an Krebs erkranken, sind nach Aussagen von Fachärzten durch ihre eingeschränkte Immunabwehr nur bedingt für eine Chemotherapie geeignet.

Wir fordern eine gleichwertige Honorierung der Narkosen im zahnärztlichen Bereich, insbesondere bei Kindern und Behinderten, wie bei allen anderen ambulanten Operationen. Es ist ein dringend notwendiger Schritt, damit diese benachteiligten Patientengruppen wieder angemessen in den Zahnarztpraxen behandelt werden können. Wir setzen uns dafür ein zusammen mit dem Bundesverband der Kinderzahnärzte!!

Das Bundesgesundheitsministerium hat zwar signalisiert, die entsprechenden Kindernarkosen könnten ab dem 01.07.2009 aus den Regelleistungsvolumina herausgenommen werden, definitive Entscheidungen hierzu bleiben aber nach wie vor aus.